Kestner Cinémathèque

In unserer Kestner Cinémathèque zeigen wir im Rahmen unseres Bildungsprogramms verschiedene Kurzfilme, die als referenzielle Begleitung der Ausstellungen von den Künstler*innen und Kurator*innen ausgewählt wurden.

Ausgewählte Filme von Rebecca Ackroyd:

Maya Deren, Meshes of the Afternoon, USA, 1943, Reg. Maya Deren, Alexander Hammid, 18 min

Meshes of the Afternoon ist ein avantgardistischer Experimentalfilm von Maya Deren und Alexander Hackenschmied aus dem Jahr 1943. Der stumme Schwarzweißfilm zeigt surreale und halluzinatorische Bilder und folgt einer namenlosen Frau, die einen Albtraum durchlebt und schließlich Selbstmord begeht. Das Ehepaar beabsichtigte psychische Probleme wie Depressionen und Schizophrenie zu thematisieren. Meshes of the Afternoon verwendet verschiedene filmische Techniken, um eine traumhafte Atmosphäre zu erzeugen, darunter Zeitlupe, Stop-Motion und Split-Screen-Effekte. Der Film wurde ursprünglich stumm veröffentlicht und erst 1959 mit Musik vertont.

Beatrice Marchi, Autoritratto Dormiente in ‘Der Jungbrunnen', Deutschland, 2019, 5:40 min

Das Animationsvideo Autoritratto Dormiente in 'Der Jungbrunnen' (2019), ist inspiriert von Lucas Cranach dem Älteren, dessen Gemälde Der Jungbrunnen (1546) den Hintergrund des Filmes bildet, vor dem sich zu Beginn eine Puppe mit geschlossenen Augen entwickelt. Die Darstellung des Jungbrunnens - ein beliebter Mythos des späten Mittelalters und der Renaissance - ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, da meist ältere Frauen beim Baden gezeigt werden, deren Körper im Kontrast zur üblichen und idealisierten Darstellung des weiblichen Körpers der Zeit steht. Marchis schlafende Puppe, die unablässig in die Pedale tritt, wird von ihrem eigenen Spiegelbild verfolgt, das ihre Bewegung zuweilen nachahmt, unterstützt oder behindert. Schlussendlich scheint sie dem Gedränge des Gemäldes entkommen zu sein und, einmal durch das Weihwasser verjüngt, einen Akt der endgültigen Emanzipation vollziehen zu können.

Julie Becker, Suburban Legend, USA, 1999, 1:44 h

Der Film Suburban Legend (1999), zu dem ursprünglich eine Installation mit einer Holzbank, Kopfhörern und eine Fernbedienung gehörte, adaptiert die Theorie, dass wenn das Pink Floyd Album Dark Side of the moon (1972) über den Film The Wizard of Oz (1939) gelegt wird, indem der erste Song des Albums mit dem dritten Brüllen des MGM-Löwen beginnt, bemerkenswerte Übereinstimmungen zwischen Bild und Musik und sogar zwischen kulturellen Kontexten entstehen. Die Künstlerin selbst sagt, die volle Wirkung der vermeintlichen Synchronisation, bekäme man erst nach dem Konsum von Cannabis. Mark von Schlegell beschreibt Suburban Legend als ein kulturelles Phänomen: "Zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte unserer Nation begannen Mütter und Väter auf der Suche nach ihrem neuen postmodernen Selbst, eine große Anzahl von Kindern vor Fernsehern, Videorekordern, Stereoanlagen und Comicbüchern zu lassen." Heute, in den wirbelnden Tiefen der Produktion von Bildschirminhalten, schlägt Suburban Legend eine Linie zu den Bereichen der populären Verschwörung und der bewusstseinsverändernden Zustände vor, die die Kultur heute auf einem ganz anderen Niveau durchziehen.

Ausgewählte Filme von Samson Young:

Ellen Pau, Recycling Cinema, Hongkong, 1998, 11:40 min

Ellen Pau, Hongkongs Pionierin im Bereich der bewegten Bilder, versucht seit mehr als drei Jahrzehnten, die Verflechtung des Menschen mit seiner Umwelt aufzuzeigen. Recycling Cinema zeichnet Fahrzeuge auf einer Schnellstraße in Hongkong über einen Zeitraum von 24 Stunden auf und enthüllt verschiedene Rhythmen und Perspektiven der Stadt durch den Einsatz von Langzeitbelichtungen, Kameraschwenks und Nahaufnahmen. Durch das geschickte Zusammenspiel von Ton und Bild schärft Pau die Wahrnehmung des Publikums für verschiedene Frequenzen, seien es subtile Rhythmen der Stadt, historischer Nachhall oder das Grundrauschen menschlicher Beziehungen.

Ellen Pau versucht mit ihrem Film Recycling Cinema die herkömmliche Vorwärtsbewegung der Zeit im Film zu durchbrechen, indem sie Autos entlang einer Küstenstraße in Hongkong filmt, während sich die Fahrzeuge in unterschiedliche Richtungen bewegen. Pau konfiguriert den Projektor so, dass er sich automatisch bewegt, was einen dynamischen und verwirrenden Effekt erzeugt. Dies suggeriert die Möglichkeit eines alternativen Kinos und einer interaktiven Form der Bildbetrachtung.

Ellen Pau, Drained II, Hongkong, 1989, 5:40 min

Drained II (1989), wendete die reduzierten Geometrien der modernistischen Abstraktion auf Video an und füllte den Bildschirm mit einem Raster aus wiederholten Aufnahmen eines Darstellers, der an einer Tür vorbei geht, während ein anderer Darsteller herumwirbelt und unweigerlich zu Boden fällt. Drained II versucht, die metaphysischen Wesen sowohl auf der Bühne als auch im elektronischen Medium zu erforschen. Durch eine konstante Schleife und Bildsegmentierung spiegelt das Werk auch die physische Unruhe der Bewohner eines dichten Stadtzentrums wider. Pau demonstriert mit Drained II die Fähigkeit, mit Hilfe neuester Bearbeitungstechniken, unscheinbares Videomaterial in atemberaubende visuelle Experimente zu verwandeln.

Takashi Ito, Ghost, Japan, 1984, 5:40 min

Ghost ist ein experimenteller japanischer Kurzfilm aus dem Jahr 1984, der von Takashi Ito inszeniert wurde. Ähnlich wie seine anderen Filme Thunder (1982) und Grim (1984) wurde Ghost mit 16 mm Film gedreht. Der Film verwendet die Technik der Langzeitbelichtung, bei der Bild für Bild gearbeitet wurde, um eine gespenstische Atmosphäre zu erzeugen und den Eindruck zu vermitteln, dass der Raum von einem geisterhaften Wesen heimgesucht wird. Der Film zeigt verschiedene Räume innerhalb und außerhalb eines Apartment Gebäudes. Gelegentlich ist eine Figur mit einer Taschenlampe zu sehen, deren Lichtstrahl aufgrund der Langzeitbelichtung wie eine lange Spur wirkt; die Figur selbst erscheint gewichtslos und flüchtig. Laut Ito war die Inspiration für Ghost die Idee der schwebenden Bilder, die ihm während der Produktion von Thunder kam. Ghost wurde erstmals am 24. September 1985 an der RMIT University in Melbourne, Australien, im Rahmen des "Continuum"-Programms gezeigt, das alternative japanische Filme aus dem Jahr 1984 präsentierte. Später wurde der Film zusammen mit anderen Werken von Ito als Teil der Takashi Ito Film Anthology auf DVD veröffentlicht.

Tamas Waliczky, The Garden, Deutschland, 1992, 0:56 min

In The Garden (1992) erleben wir die Welt aus der Perspektive eines zweijährigen Kindes. Dabei sind alle gezeigten Objekte mit der sogenannten Waterdrop-Perspektive bearbeitet worden, was die gesamte Welt surreal erscheinen lässt. Aufgenommen mit einer 360 Grad Kamera ist das Kind immer im Mittelpunkt des Videos und wir erleben die Welt aus seiner Perspektive. Die Größe der Gegenstände hängt dabei mit der ihnen zugeschriebenen Aufmerksamkeit zusammen. Wenn sie für das Kind nicht mehr von Interesse sind, werden sie kleiner. Waliczky sagt selbst auf die Frage "…Ist dieser Film eine Art zweidimensionale virtuelle Realität? Nein, virtuelle Realität bedeutet, dass wir unsere künstliche Welt konstruieren. Ich interessiere mich viel mehr für die umgebende reale Welt. In diesem Fall ist es die Welt meiner Tochter."

Joseph Cornell, Jack’s Dream, USA, 1938, 4:20 min, fertiggestellt von Lawrence Jordan

Joseph Cornells experimenteller Kurzfilm Jack´s Dream entführt den Zuschauer in eine verspielte und hypnotische Welt, die zwischen Traum und Realität schwankt. Mit seiner "Found-Art" Technik, in welcher er Materialien aus anderen Werken wiederverwendet, aber auch neu geschaffenen Sequenzen einen gefundenen Stil verleiht, erzeugt er suggestive und traumartige Bilder. Der Film beginnt mit einem Puppenspiel des Märchens Rotkäppchen. Während sich eine Geschichte über einen Angriff eines Drachen auf eine Frau und ihren Hund entwickelt, erscheinen immer wieder Sequenzen eines sinkenden Schiffes und Bilder von Seepferdchen. Abschließend sieht man das Schiff vor einem Sonnenaufgang vollständig versinken.

Michael Snow, Wavelength, Canada, 1967, 45 min

Wavelength ist ein avantgardistischer Film aus dem Jahr 1967 von dem kanadisch-amerikanischen Filmemacher Michael Snow. Er dauert 45 Minuten und erforscht einen Raum, in dem einige menschliche Ereignisse stattfinden. Es beginnt damit, dass eine Frau und zwei Männer ein Möbelstück bewegen, gefolgt von der Rückkehr der Frau mit einer Freundin, dem Einschalten des Radios und später dem rätselhaften Tod eines unbekannten Mannes. Die Kamera des Films zoomt langsam und ändert die Fokussierung, bis sie schließlich auf einem Foto des Meeres an der Wand ruht, bevor der Film ausblendet. Dieses minimalistische Werk ist ein herausragendes Beispiel für das strukturelle Filmemachen, das Einfachheit und eine feste Kameraposition betont. Sein einzigartiger Ansatz zur Darstellung von Zeit, Raum und Erzählstruktur hat einen nachhaltigen Einfluss auf die Welt des Films hinterlassen.


Newsletter

Abonnieren Sie unseren Newsletter! Wir informieren Sie regelmäßig über unsere Ausstellungen, Veranstaltungen und digitalen Angebote.