Prounenraum: Ein Raum als Manifest
Vortrag von Prof. Dr. Kai-Uwe Hemken

Der Prounenraum gilt als Meilenstein in der Geschichte der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts: erste künstlerische Installation, die überdies einen manifestativen Charakter hatte. Das Entstehungsjahr des Raumkunstwerkes gilt als ein Schlüsseljahr im Schaffen des russischen Konstruktivisten: Vor kurzem in Deutschland angekommen, nachdem er seine Situation im revolutionären Russland als chancenlos einschätzen musste, suchte er nach Anschluss an die progressive Kunstszene. Es galt, die öffentliche Aufmerksamkeit auf das eigene Kunstschaffen zu lenken: Ästhetik, Konzept und Selbstverständnis als moderner Künstler mussten wirkungsvoll inszeniert werden, um im Wettstreit der modernen Kunst mithalten zu können. Dies ist die strukturelle Dimension der Kunst Lissitzkys, eine andere ist die konzeptuelle. Gemeinsam mit der ersten Einzelausstellung in der Kestner Gesellschaft des gleichen Jahres und die Herausgabe der Kestnermappen ist der Prounenraum ein weiterer Baustein auch in der künstlerischen Selbstfindung des Konstruktivisten. Der Vortrag wird sich dieser vielfältigen Perspektive des Prounenraumes annehmen: Impulse für Idee und Konzept, Ausführung und Aussage, Relevanz des Raumes für die Kunstentwicklung der Nachfolgezeit.
Prof. Dr. Kai-Uwe Hemken hat als Hochschullehrer an der Kunsthochschule Kassel seinen Schwerpunkt in Forschung und Lehre in der Kunst der Klassischen Avantgarde, der Gegenwartskunst und der Theorie und Praxis des Kuratorischen sowie in der Einführung der Neuen Medien in die Kunstwissenschaft. Zuvor war er Kustos der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum und hat bis heute verschiedene Kurationen an folgenden Häusern wahrgenommen: Sprengel Museum Hannover, Kunstsammlung NRW (K20), Kunsthalle Erfurt, Klassik Stiftung Weimar/Neues Museum, Guggenheim Museum NY. Zur Theorie und Praxis der Kuration einerseits und der Digitalisierung in der Kunstwissenschaft andererseits hat Kai-Uwe Hemken publizistisch wie projektorientiert kontinuierlich beigetragen: 2012 Internationale Sommerschule/Tagung (anlässlich der d13) „Kritische Szenografie. Die Kunstausstellung im 21. Jahrhundert“ Seit 2017 Virtuelle Teil-Rekonstruktion der ersten documenta (1955) durch ein Projektteam der Kunstwissenschaft Kassel, und der Ausstellung „Film und Foto“ 1929 sowie virtuelle Rekonstruktion der Internationalen Kunstausstellung Dresden 1926 2016-2018 Forschungsprojekt ‚Der bioskopische Raum. Der Einfluss der Wahrnehmungspsychologie und des Mediums ‚Film‘ auf den Raum für konstruktive Kunst auf der internationalen Kunstausstellung 1926 in Dresden. (Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden) 2018-2021 Forschungsprojekt „Vom Gegenstand zum Exponat“. Nominierung: Multimedia Arts Prize der Europäischen Kommission 1999 in der Sparte „Kunst und Vermittlung“. 2019 Hessischer Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre gemeinsam mit Simon Lennert Raesch, 2020 Nominierung für den Preis des Deutschen Instituts für Virtual Reality.