El Lissitzky: Der Konstrukteur, 1924 - Das Selbstporträt als Konstruktion des Neuen: sehen - erkennen – handeln
Vortrag von Dr. Peter Rautmann

Das Selbstporträt des Künstlers ist trotz seines kleinen Formates (19,5 x 19 cm) ein Hauptwerk Lissitzkys, insofern er - in einer lebensbedrohlichen Situation- ein komplexes Sinnbild seines künstlerischen Selbstverständnisses erarbeitet. Die Montage übereinander gelegter Fotos in der Vereinigung von Kopf, Auge und Hand verweist auf seine Intention einer Verbindung von künstlerischer Konzeptbildung und handelnder Umsetzung. Als Teil der Avantgarde der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts sucht er in Einbezug aktueller Medien und Verfahren in Kunst und Kultur (Foto, Montage, Fotogramm, Licht und Typografie) diese zur Gestaltung unvertrauter Zeit- und Raumvorstellungen zu nutzen - als Teil einer Utopie einer neuen Gesellschaft.
Lissitzkys Aufenthalt 1923/24 in Hannover, vermittelt durch Kurt Schwitters, mit einer Ausstellung und der Realisierung der beiden Kestner-Mappen, gab der im Ersten Weltkrieg gegründeten Kestner-Gesellschaft wichtige Impulse für eine Ausstellungstätigkeit, die neuartige Tendenzen in Kunst und Gesellschaft als Orientierungspunkte zeigen wollte. Lissitzky verstand seine Kunst als eine entschiedene Form der Internationalität, den Austausch von Kunst-Bewegungen zwischen allen Teilen Europas zu befördern. Diese Aspekte sind heute - über Europa hinaus - ebenso aktuell und können auch das Selbstverständnis der Kestner-Gesellschaft prägen, An diesem Maßstab möchte sich die gegenwärtige künstlerische Praxis der Kestner-Gesellschaft messen lassen, wenn es im Untertitel der Lissitzky-Ausstellung heisst: „El Lissitzky: Das Selbstbildnis der Kestner-Gesellschaft“.
Peter Rautmann
Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Mainz 1961/62, der Kunsterziehung und Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Kassel 1962 - 1966, von 1966 - 1976 der Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie an der Universität Hamburg mit dem Abschluss der Promotion über Caspar David Friedrich.
Von 1979 bis 2007 Professor für Theorie und Geschichte ästhetischer Praxis/Kunstwissenschaft an der Hochschule für Künste Bremen, daselbst von 2000 bis 2002 Konrektor, im Anschluss bis 2007 Rektor der Hochschule für Künste Bremen; Mai 2007 Emeritierung. Bis 2012 künstlerischer Leiter des interdisziplinären Instituts syn (Kunst – Musik – Design – Wissenschaft) der HfK Bremen.
Seit 2013 kuratorische Tätigkeit zu Ausstellungen und Kulturprojekten in der Markuskirche/ Kulturkirche Hannover.
Zahlreiche Veröffentlichungen zur deutschen und europäischen Frühromantik (C. D. Friedrich, E. Delacroix) und zur Kunst der Moderne des 20. und 21. Jahrhunderts („Passagen. Kreuz- und Quergänge durch die Moderne“, ConBrio, Regensburg 1998), der Philosophie (Walter Benjamin), sowie zum Verhältnis von Kunst und Musik (Schönberg(Kandinsky, John Cage).